Kapitel

7. Ein neuer Job

In dieser Nacht wurde Georg von wilden Träumen geplagt. Medizinball-große Viren ergossen sich über das Land, überfluteten die Straßen und rissen alles und jeden mit sich. Wer mit ihnen in Berührung kam, verwandelte sich in Fledermaus-Menschen und bald waren nur noch Bat-Männer und Bat-Frauen durch den Tür-Spion zu sehen. Der Corona-Man hatte eine goldene Uniform an und lehnte sich mit aller Kraft gegen die Türe, die kurz vor dem Bersten stand. Ronny versuchte sie mit seinem germanischen Urin fernzuhalten, welche er wie ein Wasserwerfer am 1.Mai in die Menge schoss. Im Gegensatz zu Ronny schien der Corona-Man keine besonderen Superhelden-Fähigkeiten zu haben. Doch dann stellte er fest, dass er Klopapier aus seinen Handgelenken schießen konnte, ähnlich Spider-Man. Leider bot dies absolut keinen Nutzen in der Bekämpfung der Fledermaus-Menschen - die zombiehafte Horde war nicht zu stoppen. Feministinnen mit 5G-Pistolen schossen Brocken aus der Fassade von Georgs Haus, während jüdische Jesuiten coronale Choräle sangen. Ein Mann klopfte an der Tür und bot ihm an, kostenlos die Wand auszubessern. Ronny schrie, dass das ein Trick sei. „Das ist ein Freimaurer!“. In diesem Moment wurde Georg durch Handy-Klingeln geweckt.

Sein Chef rief an. Georg hatte völlig vergessen, dass er im Gegensatz zu Ronny eigentlich einen Job hatte. Vom Regen in die Scheiss-Traufe, dachte er und nahm das Gespräch an. „Reisser?“. „Herr Reisser,“ begrüßte in die Stimme seines Chefs in ihrer ganzen falschen Freundlichkeit. „Es ist 11 Uhr. Sie sind nicht zur Arbeit erschienen. Ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist?“. Georg musste seine Gedanken sortieren. Einerseits würde die Zivilisation ja zusammenbrechen, also brauchte er kein Geld und somit keinen Job mehr. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt seinem Arschloch von Chef die Meinung zu sagen und zu kündigen. Trotzdem konnte Georg sich nicht dazu durchringen. Was war los? Wovor hatte er Angst? Sein Zögern erzeugte ein unangenehme Pause, doch dann begann sein Hirn wieder zu arbeiten. „Tut mir leid, ich habe Corona, mir geht es gar nicht gut“, log er. „Soso, Corona haben Sie? Dann sind Sie ja der erste Fall im Landkreis! Was haben Sie denn für Symptome, haben Sie einen Abstrich machen lassen?“, bohrte sein Chef nach. Georg fühlte sich in die Enge getrieben. Hätte er mal besser den Wikipedia-Artikel über Viren zu Ende gelesen. Zuerst hustete er herzhaft ins Handy. So konnte er sich etwas Zeit erkaufen und legte sich seine Antwort zurecht: „Also Husten habe ich natürlich. Kopfweh, Müdigkeit und Kater-ähnliche Beschwerden. Der Arzt hat einen Abstrich drauf gemacht, aber das hat nichts gebracht“. „Dann haben Sie ja schon ein Attest“, unterbrach ihn sein Chef, „lassen Sie mir das bitte gleich zukommen. Und nächstes Mal melden Sie sich ab – Sie kennen die Regeln. Sonst gibt es eine Abmahnung!“. 

Das Gespräch hatte Georg etwas unschlüssig zurückgelassen und so beschloss er, beim großen Vorsitzenden um Rat zu fragen. Natürlich musste er zunächst Eier und Speck zubereiten, damit der Wasserfall des Wissens fließen konnte. Das Orakel von Delphi hatte bestimmt auch nicht auf nüchternen Magen gearbeitet. Ronny rieb sich die Schläfen, als er sich das Problem anhörte. Dann fixierte er Georg mit verärgertem Blick und herrschte ihn in scharfer Tonlage an: „Die Welt ist im Umbruch und du fragst mich wegen so einem Scheiss? Deine Firma wird es spätestens in ein paar Wochen nicht mehr geben. Du hättest deinem Chef sagen sollen, dass er sich sein Attest in den Arsch schieben kann!“. Ronny rülpste. Georg atmete tief ein und konnte die Eier und Speck unter der Alkoholfahne ausmachen. Ob er wohl jemals wieder in diesen Genuss kommen würde? Er hatte heute die doppelte Menge zubereitet, aber Ronny hatte ohne mit der Wimper zu zucken wieder alles alleine verdrückt. Wie eine Raupe Nimmersatt, wobei noch offen war, in was sich Ronny verwandeln würde. Ein schöner Schmetterling war es sicher nicht.

„Der Anruf hat mich nur etwas durcheinander gebracht. Immerhin arbeite ich da seit 12 Jahren“, versuchte Georg zu erklären. „Du bist schwach“, urteilte Ronny. „Wenn das so weiter geht, brauche ich eine neue Nummer 2“.
„Sag so was nicht“. Der Corona-Man erschrak. Morgens war es mit Ronny irgendwie schwieriger als Abends. War Ronny etwa, wie Musik von Helene Fischer, nur mit Alkohol im Blut zu verstehen? Er musste das im Auge behalten. „Sag so was nicht“, wiederholte er. „Ich weiß was abgeht. Keine Zweifel“.
„Gut, dann beweise es“. „Wie – beweisen?“

Wenig später hatte der Corona-Man einen Job weniger, dafür war seine Stellung als Nummer 2 in Neu-Deutschland bis auf Weiteres gesichert. Und sein Chef wusste nun ganz genau, wo man ein Attest auch aufbewahren konnte.