Kapitel

3. Zu zweit ist man weniger verrückt

Es war jetzt still im Haus – der Corona-Man sammelte seine Gedanken. Linda und die Zwillinge hatten am frühen Abend noch ein paar Koffer gepackt und waren zu Lindas Schwester gezogen. Leider waren sie für rationale Argumente nicht mehr zugänglich. Er hatte ihnen viel Glück gewünscht und jedem noch ein paar Herings-Konserven auf den Weg gegeben. Die Kinder waren bestimmt eh nicht von ihm und Linda hatte voll die Zellulite, versuchte er sich zu trösten. Trotzdem war Georg ein bisschen traurig und eine einzelne schmackhafte Träne lief seine Wange hinab. 

Jetzt war er allein. Draußen wurde es dunkel und er glaubte, die Viren pfeifen zu hören, aber vielleicht war das auch nur der Wind. Georg hatte sich in der Zwischenzeit weiter in das Thema eingelesen – sogar die Bild warnte vor dem Virus. Wie konnte man da noch arglos die Augen verschließen? Ronny wollte nachher vorbeikommen, die beiden wollten sich gemeinsam hier in Quarantäne begeben und Phase 1 abwarten. Das war gut, denn Ronny wusste Bescheid. Da Ronny momentan seit zwölf Jahren keine Arbeit hatte, verbrachte er den ganzen Tag damit das Internet nach Wahrheiten zu durchforsten. Der Corona-Man hatte viel von ihm über Chemtrails und Außerirdische gelernt. Ronny war zwar ein bisschen rechts. Also ein bisschen rechts von der AfD, vielleicht sogar ein gutes Stück rechts von ihr. Aber das machte dem Corona-Man nichts aus, obwohl ihn Politik nicht interessierte. Obwohl - so einen Anpacker wie Hitler oder Stalin hätten sie in Zeiten der Krise schon gut gebrauchen können, nicht so Hänflinge wie den Spahn, der die Gefahr völlig unterschätzte. „Spahn-Ferkel“, sagte Georg plötzlich und musste laut lachen. Der war gut! Er schrieb sich den Witz in großen Druckbuchstaben in sein Witze-Heft. Den würde er nachher Ronny erzählen. In seinem Witze-Buch standen noch weitere politische Knaller wie „Mäh-rkel“ (Notiz: Mäh aussprechen wie ein Schaf) und „jetzt ist der Maas aber voll“. Er hätte eigentlich Comedian werden sollen, aber leider hatten die meisten anderen Menschen keinen Hummer, hehe. Wahnsinn, dachte der Corona-Man, das läuft ja heute wie geschmiert, und schrieb eifrig in sein Witzebuch.

Dann kam Ronny. Durch den Türspion hatte der Corona-Man schon gesehen, dass Ronny seinen abgewetzten Tarnanzug anhatte und einen Bundeswehrrucksack auf dem Rücken. Außerdem hatte er eine Schutzmaske auf. Verdammt – Ronny war wirklich ein cooler Typ. Nachdem sie einen Ellenbogen-Check zur Begrüßung gemacht hatten, denn Ronny hatte ihn gleich gewarnt, dass Handschütteln ein absolutes No-Go war, luden sie die restlichen Gepäckstücke aus Ronnys Auto ins Haus. „Leider habe ich keinen Schutzanzug mehr auftreiben können.“, seufzte Ronny. „Dafür habe ich eine Kleinkaliberpistole, zwei Baseball-Schläger und Pfefferspray dabei!“. Sie setzten sich an den Esstisch und machten erst mal ein Bier auf, um den Rachenraum zu desinfizieren. Um auf Nummer sicher zu gehen, folgten noch drei weitere und ein paar Schnäpse. Beim Alkohol-Vorrat würde es wohl als erstes zu einem Engpass kommen, wurde dem Corona-Man schmerzhaft klar.

„Du bist auf dem Laufenden?“, fragte Ronny mit seiner prüfenden Art. „Gib mal kurz deinen Wissensstand wieder, damit ich weiß, wo ich dich noch abholen muss!“. „Also…“, begann Georg, „der Corona-, nicht Corola-Virus kommt aus China. Irgendjemand hat dort Fledermaus-Suppe gegessen und uns die Misere eingebrockt, die wir jetzt auslöffeln müssen.“  „Der war gut!“ lachte Ronny.
„Das Virus lässt sich nicht aufhalten und ist jetzt bei uns angekommen. Übertragt sich über Köperflüssigkeiten, die Luft und eventuell auch Handystrahlen. Außerdem wird es früher oder später mutieren und die Sterblichkeitsrate wird rasant steigen – es gibt im Endeffekt kein Entkommen! Zudem werden die meisten Menschen, die nicht so rational handeln und denken wie wir, in Panik verfallen, was zum Zusammenbruch der Zivilisation führen wird. Den wenigen Überlebenden obliegt es, nach der Krise, eine neue und bessere Gesellschaft, also mit Diesel-Autos und ohne Veganer, zu errichten. Da wiederum freue ich mich drauf. Prost!“

„Das bringt es auf den Punkt.“, fiel Ronny ein. „Das wird richtig geil werden! Und unsere Regierung hat eh keinen Plan und wird das voll gegen die Wand fahren.“ „Genau! Besonders unser Spahn-Ferkel!“, warf der Corona-Man prustend ein. Leider schien der Witz bei Ronny, der abwesend aus dem Fenster starrte, nicht zu zünden. „Alles okay?“ fragte Georg. „Ja schon“, antwortete Ronny nachdenklich. „Ich hatte nur gerade festgelegt, wen wir im Falle einer Hungerkrise von uns beiden zuerst verspeisen. Leider bist das du, da du nicht so gut kämpfen kannst wie ich und du bist ja auch ein Jahr älter…“
„Ist schon okay.“, sagte der Corona-Man verständnisvoll, „wenn es hart auf hart kommt, kannst du mich verwursten.“ Die beiden prosteten sich andächtig zu, um die Entscheidung rechtskräftig zu besiegeln. Ronny war so ein cooler Typ, er musste auf jeden Fall überleben.

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